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Das Erscheinungsbild eines Kinos lässt nur Mutmaßungen darüber zu, was die Besucher letztlich daran wertschätzen. Welchen Reiz hat ein Kinobesuch im 21. Jahrhundert? Warum gehen Menschen noch ins Kino, wo sie einen Film doch auch via Fernseher oder Computer abrufen können? Gegen derartige Konkurrenzmedien konnte das Kino sich hartnäckig durchsetzen. Um also Antworten auf meine Fragen zu finden, habe ich mich dorthin begeben, wo man sie am ehesten findet: In das Foyer eines Filmtheaters. Welche Erkenntnisse ich im direkten Gespräch mit mehreren Kinobesuchern unterschiedlichen Alters gewinnen konnte, erfahrt ihr im folgenden Podcast.


Die Auskünfte der befragten Personen lassen einen eindeutigen Schluss zu. Kino ist deshalb so populär, weil es im Gegensatz zum heimischen Fernsehgerät scheinbar optimale Voraussetzungen für eine hohe Immersion schafft: Eine gigantische Leinwand, ein abgedunkelter Saal, raumfüllender Klang und manchmal auch 3D. Dadurch entsteht eine einmalige Atmosphäre, in die Kinobesucher gerne gemeinsam mit anderen Menschen eintauchen. Nicht allzu oft sieht man jemanden alleine im Kinosaal sitzen. Meist sind dort stattdessen Paare, Familien und befreundete Besucher anzutreffen.

Der Aufenthalt im CinemaxX ist aufschlussreich, doch mir längst nicht genug. Dort ergaben sich nur flüchtige Gespräche, zumal mein Besuch an einem Nachmittag stattfand, während vor allem der Abend als Kinofilmzeit populär ist. Ich suche nach weiteren Gesprächspartnern und erwähnenswerten Gesichtspunkten, um das bisherige Bild von Augsburger Kinobesuchern bzw. der Kinokultur zu erweitern. Im Folgenden will ich euch an diesen Gesprächen teilhaben lassen, indem ich euch einige interessante Auszüge daraus präsentiere.

Kino ist „mehr als nur Film“…

„Als ich noch in Basel gewohnt habe, bin ich regelmäßig ins Kino gegangen – mindestens einmal im Monat, eher öfter. In Basel befindet sich ein gutes Dutzend Kinos gut mit der Straßenbahn erreichbar mitten im Stadtzentrum. Da holt man sich am frühen Abend ein Ticket für den späteren Abend und geht dann erst einmal ganz gemütlich in eine Kneipe essen oder flaniert durch das abendliche Gewusel“, erzählt mir zum Beispiel ein Mann mittleren Alters.

Und kommt schließlich auf Deutschland zu sprechen: „Hier in Deutschland macht mich Kino überhaupt nicht an. Ich kann diesen gigantomanischen Kinopalästen, die zum Teil fernab der städtischen Ausgehzonen in die Pampa betoniert wurden, nicht viel abgewinnen. Ohne Auto kommt man da nicht hin und vor oder nach dem Kino kann man vor Ort nichts anderes unternehmen.“ Diese Schilderung ist zwar sehr subjektiv, bestätigt aber meine Annahme aus dem Podcast, dass viele Menschen heutzutage mehr in einem Kinobesuch sehen als den reinen Filmgenuss. Vielmehr wird er gerne mit anderen gemeinschaftlichen Aktivitäten verknüpft, manche Besucher sehen das sogar als ein Muss.

…und dennoch vor allem eins: Film

Im CinemaxX erweckten die von mir Befragten den Eindruck, dass sie keineswegs alleine ins Kino gehen würden. Als ich das nämlich fragte, reagierten sie entweder mit Lachen oder schlichtem Kopfschütteln. Pauschal als soziales Ereignis bezeichnen kann man einen Kinobesuch deshalb trotzdem nicht.

Dass beim Kinobesuch trotz aller Freude an Gesellschaft der Film im Mittelpunkt steht, zeigen mir die Worte eines jungen Mannes, mit dem ich mich unterhalte: „Hin und wieder fuhr ich mit einigen Kumpels [ins Kino], aber es zeichnete sich immer deutlich ab, dass sie ganz andere Filme als ich sehen wollten. Irgendwann wollte ich nicht mehr mitziehen und klinkte mich aus, seitdem fahre ich entweder mit meinem Bruder oder schlichtweg alleine hin.“ Ich frage ihn auch, was ihm bei einem Kinobesuch wichtig ist. „Vor allem eins: Dass ich den Film ungestört genießen kann“, antwortet er (und ist damit übrigens nicht die einzige von mir befragte Person, die diesen Anspruch stellt). „Ich kann es wirklich nicht leiden, wenn Menschen sich neben mir oder vor mir oder wo auch immer unterhalten müssen. Ansonsten hab‘ ich gar nicht so hohe Ansprüche. Was zu knabbern, vielleicht noch ein Bier oder eine Cola, je nach Stimmung.“

Allerdings treffe ich außer diesem jungen Mann niemanden, der auch mal alleine ins Kino geht. Von 18 Befragten geben ganze 17 an, nur mit Freunden, Familie oder Partner ein Filmtheater aufzusuchen.

Kinobesuch-Rituale – Gibt es die?

Als ich begonnen habe, über mein Projekt zur Kinokultur nachzudenken, stellte ich mir unwillkürlich die Frage, worauf ich persönlich bei einem Kinobesuch eigentlich achte. Meistens ist Popcorn für mich ein Muss. Ich bin gerne pünktlich, will keine Minute des Films verpassen und bleibe deshalb in der Regel sitzen, bis die Credits ein Stück weit durchgelaufen sind. Sind das Gewohnheiten? Ich denke schon. Wie ist es also bei anderen Kinobesuchern? Pflegen sie Kinobesuch-Rituale?

„Wenn ich mit meinem Bruder ins Kino fahre, essen wir meistens davor noch irgendwo, sind aber nicht festgelegt, was das Lokal betrifft. Ansonsten gibt es da keine geregelte zeitliche Gestaltung – das Kino besuche ich, wenn mir mal danach ist oder ich an einem Kino vorbeigehe und da ein Plakat zu einem Film sehe, der mich interessiert. Das ergibt sich, wenn überhaupt, eher spontan.“

Keine Rituale, keine Tradition, kein „Das machen wir immer so, wenn wir ins Kino gehen“? Die Antwort einer Frau überzeugt mich vom Gegenteil: „Der Kinoabend beginnt immer mit Essen bei Subway. Das grenzt schon fast an Ritual. So wie Subway gehören auch Popcorn und Cola zum Kinobesuch.“ Also doch: Rituale und Gewohnheiten scheinen verbreitet zu sein. Zumindest bei manchen Kinogängern.

Ein Resümee der Gespräche

Für meine Forschungsarbeit habe ich insgesamt 18 verschiedenen Personen Fragen zu ihren Kinogewohnheiten und -vorlieben gestellt. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Kinobesuch wirklich sehr häufig in Gesellschaft vonstatten geht. Zudem gab nur ein Befragter an, Kino im Allgemeinen nicht zu mögen: „Ich habe bis heute nicht begriffen, was außer einem größeren Bild daran so toll sein soll. Wenn ich einen Film sehen will, suche ich in der Regel keine Geselligkeit – ganz einfach, weil ich mich auf den Film konzentrieren möchte.“

Bei aller überwiegenden Freude an der besonderen Atmosphäre eines Filmtheaters ist es jedoch oft auch abhängig von den Finanzen, ob ins Kino gegangen wird. Viele Befragte sehen sich Filme zwar gerne im Kino an, tun das aber eher selten, weil es ihnen häufig zu teuer ist.

Eines ist mir noch aufgefallen, als ich von manchen Personen wissen wollte, welche Art von Kino sie bevorzugen. Die Antwort lautete beinahe durchweg: „Das gewöhnliche.“ – mit dem Hinweis, dass ein Auto- oder Erotikkino ihnen nicht reizvoll erscheine. Dabei wollte ich bei dieser Frage darauf hinaus, ob es Beliebtheitsunterschiede bei Programm- und Multiplexkinos gibt – also solchen, die auch unbekanntere Filme zeigen, und solchen, die größtenteils auf Blockbuster beschränkt sind. Nur ein Befragter antwortete dieser Unterscheidung entsprechend: „Mangels Auswahl läuft es auf ein schlichtes, stinknormales Kino mit sieben Sälen hinaus. Undergroundkino-Kultur gibt es hier im ländlichen Raum eher nicht.“